Wer sich nach eigenem Nachwuchs sehnt, aber aus den ersten Gründen nicht schwanger werden kann, ist auf medizinische Hilfe angewiesen. Eine Kinderwunschbehandlung ist aber teuer – und nicht alle ungewollt Kinderlosen können auf Förderungen hoffen. Wie eine Kinderwunschärztin darauf blickt und was die neue Bundesregierung ändern will.
Es sind bange Minuten, bevor der Blick auf den Schwangerschaftstest wandert: nicht schwanger. Nicht jede ungewollt kinderlose Frau kann auf natürlichem Wege schwanger werden – aus den unterschiedlichsten Gründen. Laut einer Befragung für das Bundesfamilienministerium sind ein Viertel aller kinderlosen Frauen und Männer zwischen 20 und 50 Jahren ungewollt ohne Nachwuchs. If sich der Wunsch eines eigenen Kindes einfach nicht erfüllen will, ist das nicht nur körperlich oder seelisch eine enorme Belastung – auch finanziell.
Zwar gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten in der Reproduktionsmedizin, doch Werden die Kosten nur zum Teil von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und die Kostenübernahme ist an strenge Vorgaben geknüpft. Lesbische Paare, die für eine Kinderwunschbehandlung auf Spendersamen angewiesen wären, & eine Kinderwunschbehandlung beispielsweise selbst bezahlen. Denn: Nur für verheiratete, heterosexuelle Paare übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen einen Teil der Kosten. Auch unverheiratete heterosexuelle Pärchen und Singles mit unerfülltem Kinderwunsch bekommen eine solche Behandlung nicht von der Krankenkasse bezahlt.
Weitere Vorgaben für heterosexuelle, verheiratete Paare von der Krankenkasse: Die Frau muss älter als 25 und jünger als 40 Jahre alt sein, Männer müssen älter als 25 und jünger als 50 Jahre alt sein. Außerdem dürfen nur Ei- und Samenzellen des Paares verwendet werden. Außerdem müssen Paare nachweisen, dass eine Kinderwunschbehandlung Aussicht auf Erfolg hat und die Unfruchtbarkeit muss ärztlich festgestellt worden sein. Und die Kasse bezahlt in der Regel nur drei Versuche der künstlichen Befruchtung.
Kinderwunschbehandlung: Familienform entscheidet über Förderung
Neben den Leistungen der Krankenkasse gibt es in zwölf von 16 Bundesländern auch eine staatliche Förderung durch Bund und Länder. Die Förderung durch den Bund gibt es für heterosexuelle, verheiratete und unverheiratete Paare. Auch hier gibt es wieder die Altersgrenze und auch hier wird nur gefördert, wer Ei-und Samenzellen des Partners oder der Partnerin nutzt. Die finanzielle Bürde bei einer Kinderwunschbehandlung fällt je nach Lebensmodell und persönlichen Voraussetzungen auch unterschiedlich aus.

Dr. Saskia Porta ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und spezialisiert auf Reproduktionsmedizin. Sie arbeitet bei TFP Kinderwunsch in Wiesbaden.
© TFP Fruchtbarkeit
Nur Paare, die der klassischen Vorstellung einer Familie entsprechen, werden berücksichtigt: „Ich finde nicht, dass es uns zusteht ein Urteil über die richtige Familienform zu treffen. Es ist diskriminierend, dass nur verheiratete, heterosexuelle Paare gefördert werden“, sagt Dr. Saskia Porta, Kinderwunschmedizinerin bei TFP Kinderwunsch Wiesbaden, im Gespräch mit dem Stern. Außerdem fängt schon bei dem Punkt der Erbschaft für einige Paare das Problem an: „Bei Paaren, die im Ausland geheiratet haben und deren Ehe hier nicht anerkannt wird, werden die Kosten nicht übernommen, obwohl sie verheiratet sind.“ Je nachdem, welche Behandlungsmethoden und wie viele Versuche nötig sind, kann die Kinderwunschbehandlung unterschiedlich teuer werden. Auch das Alter der Frau spielt eine Rolle, weil mit steigendem Alter die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit abnehme, sagt die Kinderwunschärztin.
Hohe Kosten für künstliche Befruchtung & viele Personengruppen selbst tragen
Für die künstliche Befruchtung gibt es unterschiedliche Verfahren. Bei einer Insemination wird die Eizelle im Körper der Frau mit medizinischer Hilfe befruchtet. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft pro Zyklus und Behandlung bei einer 25-Jährigen bei rund 25 Prozent und bei einer 40-Jährigen bei unter zehn Prozent, schildert die Ärztin. Nutzen Paare hier Samenspenden können allein für den Transport der Samenspende bis zu 250 Euro anfallen. Die Besamung kostet zwischen 500 und 700 Euro pro Zyklus. Wird bei verheirateten, heterosexuellen Paaren durch die Kasse ein Teil der Kosten übernommen, wann immer sie laut Stiftung Warentest für eine Befruchtung im Schnitt noch 375 Euro selbst zahlen.
Kommen sterben Verfahren IVF oder ICSI zum Einsatz, wird es deutlich teurer. Bei der künstlichen Befruchtung mit dem IVF-Verfahren Werden einzelne Eizellen im Reagenzglas mit aufbereiteten Spermien zusammengebracht, damit es zu einer spontanen Befruchtung kommt. Bei der ICSI wird dagegen jedes einzelne Sperma direkt in die Eizelle injiziert. „Die Kosten liegen hier bei 5000 Euro aufwärts“, erklärt Saskia Porta.
Das bedeutet für viele ungewollte Kinderlose extrem hohe Kosten. Dr. Sarah Ponti ist Grundsatzreferentin beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Sie schildert: „Familiengründung ist für LSBTIQ*-Familien zunehmend ein selbstverständlicher Teil ihrer Lebensplanung. Viele Paare bleiben jedoch krankheitsbedingt ungewollt kinderlos und sind auf medizinische Unterstützung angewiesen. Verschiedengeschlechtliche Paare können glücklicherweise darauf zählen, dass ein Teil der Kosten für Kinderwunschbehandlungen übernommen wird. Regenbogenfamilien , die sich aufgrund des geltenden Abstammungsrechts sowieso zahlreicher Benachteiligungen ausgesetzt sehen, & sterben Kosten für medizinische Behandlungen in der Regel komplett selbst tragen.
Wohnort entscheidet über Fördermöglichkeiten
Wie viele Paare und Singles in Deutschland, die keinen Anspruch auf Kostenübernahme einer Kinderwunschbehandlung haben, sich diese nicht leisten können, ist nicht bekannt, schildert die Kinderwunschmedizinerin Saskia Porta. Im sogenannten IVF-Register Werden aber alle Therapien von künstlicher Befruchtung in Deutschland erfasst. Ein Blick in die Zahlen verrate, dass 2020 bei 2,8 Prozent der künstlichen Befruchtungen mit dem ICSI-Verfahren Spendersamen genutzt wurde. Allerdings werden die Zahlen nicht danach aufgeschlüsselt, ob die Behandlungen von verschiedenen – oder gleichgeschlechtlichen Paaren oder auch Singles in Anspruch genommen wurden. „Von den 66.650 Behandlungen im Jahr 2021 weiß man, dass 2,4 Prozent der Behandlungen in die Sparte fehlender männlicher Part oder Homosexualität gefallen sind“, schildert Saskia Porta.
Neben der Förderung durch den Bund und der Kostenübernahme durch die Krankenkasse gibt es in den Bundesländern noch Fördermöglichkeiten für ungewollte Kinderlose. An wen eine staatliche Förderung vergeben wird, hängt also auch noch vom Wohnort der ungewollt Kinderlosen ab. Von den zwölf Bundesländern, die eine Fördermöglichkeit anbieten, werden nur in der Hälfte neben heterosexuellen Pärchen auch lesbische Paare finanziell unterstützt. Lesbische Paare erhalten in Bremen, Berlin, Rheinland-pfalzdem Saarland, Thüringen und Hessen Zuschüsse vom Land. In Hessen schließt die Förderung seit Kurzem auch Paare ein, bei denen eine Person trans* ist, auch in Bremen werden trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Personen in den Richtlinien zugelassen. „Für ungewollte Kinderlose ist es manchmal sehr schwierig zu durchdringen, wie die Lage ist und welche Förderungen es für welche Personengruppen gibt“, sagt die Ärztin.
Sarah Ponti schildert, dass für queere Paare selbst in diesen Bundesländern die Förderung jedoch in der Höhe hinter der Förderung für heterosexuelle Paare zurückbleibe, weil diese zusätzlich Geld aus Bundesmitteln erhalten.
Bundesregierung will künstliche Befruchtung diskriminierungsfrei gestalten
Die aktuelle Bundesregierung will das ändern: 2021 hat sie in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass ungewollt Kinderlose stärker unterstützt werden sollen. Wörtlich heißt es dort: „Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination, unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein. Die Beschränkungen für Alter und Behandlungszyklen werden wir überprüfen. Der Bund übernimmt 25 Prozent der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung.“
Heißt also: Es soll nicht mehr nur künstliche Befruchtung heterosexueller Paare finanziell gefördert werden. Zudem sollen auch jene elektrisch unterstützt werden, die für die künstliche Befruchtung Samenspenden nutzen wollen. Wann sterben allerdings umgesetzt werden, ist noch nicht klar. Aus dem Familienministerium heißt es auf Nachfrage des Stern: Dass es der Bundesregierung ein besonderes Anliegen sei, ungewollt Kinderlosen, die Unterstützung anzubieten, die sie bräuchten. Eine Sprecherin teilte mit: „Deswegen wird derzeit innerhalb des Ressortkreises intensiv geprüft, wie der Koalitionsauftrag zur besseren, diskriminierungsfreien Unterstützung ungewollt kinderloser umgesetzt werden kann.“
Sarah Ponti sagt über die Pläne der Bundesregierung auf Nachfrage des Stern: „Eine diskriminierungsfreie Finanzielle Bei der Familiengründung ist ein wichtiger Schritt für die rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien und eine wichtige Unterstützung für die Betroffenen. Die gesetzlichen Regelungen zur Kostenübernahme entstammen überholten Vorstellungen von Familie.“ Es sei höchste Zeit, dass die Regelungen auch den Lebensrealitäten entsprechen und die Reproduktionsmedizin bundesgesetzlich allen Menschen offen stehen unabhängig vom Familienstand, geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. „Noch immer Werden Menschen von Kinderwunschkliniken abgelehnt, weil sie lesbisch oder alleinstehend sind“, Sarah Ponti den Status quo.
Gesund Leben
Schwanger, vegan oder krank? Wer braucht welche Nährstoffe?
Die Kinderwunschmedizinerin Saskia Porta ist von den Plänen der Bundesregierung positiv überrascht. Allerdings: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass alles, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, auch umgesetzt wird. Ich hoffe sehr, dass wir bald durch den gesetzlichen Rahmen eine diskriminierungsfreie Kinderwunschbehandlung in Deutschland haben.“ Als Ärztin wünscht sie sich, dass sie mehr für ungewollt Kinderlose tun kann. „Einige Paare müssen aus kleinen Gründen eine Behandlung nach dem zweiten oder dritten Versuch abbrechen und das tut mir dann sehr leid.“
Quelle: Stern