Stand: 07.07.2022 13:09 Uhr
Während die Angriffe auf die Ostukraine andauern, rückt die ukrainische Armee eigenen Angaben zufolge im Süden des Landes etwas vor. Laut Kiew zeigt sich bereits ein Effekt neuer Waffen.
Wenn es nach der ukrainischen Armee geht, ist es bei weitem noch nicht genug – nicht genug an westlichen Waffen für den Kampf an der Front. Und dennoch scheinen die westlichen Systeme bereits einen Unterschied zu machen. So sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj:
Endlich ist es spürbar, dass die westliche Artillerie mächtig zum Einsatz kommt. Die Waffen, die wir von unseren Partnern erhalten haben. Ihre Genauigkeit ist genau so wie nötig. Unsere Verteidiger greifen Depots und andere Ziele an, die wichtig für die Logistik der Besatzer sind.
Und das reduziere die Angriffsfähigkeit der russischen Armee wesentlich.
In den vergangenen Tagen waren ukrainische Medien voll mit Bildern von Bränden. Im Gebiet Charkiw, an mehreren Orten in den Regionen Donezk und Luhansk, im besetzten Süden – dort überall wollen die ukrainischen Streitkräfte Waffenlager und Kommandopunkte des Gegners zerstört haben. Nach Angaben der BBC soll es elf solche Angriffe gegeben haben.
Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
„Es hat sich drastisch verändert“
„Ein einziger hochpräziser Schuss genügt, um ein ganzes Depot zu vernichten, das im Laufe von Monaten oder sogar Jahren mit Munition und Waffen befüllt wurde“, sagte der ukrainische Militäranalyst Oleksandr Kowalenko im ukrainischen Fernsehen. „Der Effekt und das Potenzial sind unvergleichbar.“
Vor allem geht es dabei um westliche Haubitzen, die die Ukrainer verwenden. Darunter französische Systeme „Caesar“ und die „Panzerhaubitzen 2000“, die Deutschland und die Niederlande geliefert haben. Auch die US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfer „HIMARS“. Kowalenko wies darauf hin, dass diese Waffen jetzt schon das Kampfgeschehen beeinflussten:
Es hat sich drastisch verändert. Weil diese neuen reichweitenstarken und hochpräzisen Waffen aufgetaucht sind. Sie ermöglichen Angriffe auf Leitstellen, auf Lager mit Kraftstoffen und Munition sowie sogar auf Truppeneinheiten im Rücken des russischen Militärs. Also auf einer Entfernung tief in die okkupierten Territorien hinein, die vorher sicher schien.
Das System der Steuerung und Versorgung sei im Laufe der Monate aufgebaut worden und habe sich eingespielt – „und nun wird es total gestört“.
Kowalenko glaubt nach eigenen Angaben, schon Ende Juli könnte die russische Armee deshalb einen Kollaps in Sachen Waffennachschub und Versorgung der Truppe erleben.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Bild: ISW/06.07.2022
Weiter Angriffe in der Ostukraine
Doch aktuell ist das Zukunftsmusik. Besonders in der Ostukraine dauern die russischen Angriffe an. Mehr als zehn Siedlungen beschoss die russische Seite nach Angaben des ukrainischen Generalstabs. Es sei gelungen, an einigen Frontabschnitten in den Regionen Charkiw und Donezk die Angriffe abzuwehren.
Im Süden und Südosten will die Armee bereits etwas vorangekommen sein. Selenskyj sagte, die ukrainischen Streitkräfte rückten in einigen Richtungen vor: „im Süden, in der Region Cherson, im Gebiet Saporischschja. Wir werden unsere Ländereien nicht abgeben, das ganze Territorium der souveränen Ukraine wird ukrainisch sein.“
Die Angaben über das Vorrücken im Süden lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Das US-amerikanische Thinktank Institute for the Study of War analysierte allerdings, das ukrainische Militär schaffe aktuell Voraussetzungen für eine Gegenoffensive auf die Stadt Cherson.
Zugang zu sozialen Medien blockiert
Die russische Seite versucht, dort stärker Fuß zu fassen und die Region an Russland zu binden. Zum Beispiel, indem sie den Zugang zu Informationen einschränkt. Ukrainisches Radio und Fernsehen sind seit Monaten abgeschaltet. Gestern wurde auch der Zugang zu sozialen Medien blockiert.
„Zwei Netzwerke sind nicht mehr verfügbar – Instagram und YouTube“, sagt Serhij Chlan, Berater der Regionalverwaltung Cherson. „Das geben die Besatzer als ihren Sieg aus, indem sie die Region Cherson in dunkle Zeiten, in die Zeiten eines Informationsvakuums zurückbeamen. Denn für die Okkupanten ist jede wahrheitsgetreue Information, die man im Internet bringt, nicht hinnehmbar.“
Selenskyj zeigte sich besorgt und rief dazu auf, den Kontakt zu den Menschen in den zeitweise russisch kontrollierten Städten zu halten. Sie sollten erfahren, dass die Ukraine für sie kämpfe.
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Krieg in der Ukraine
Westliche Waffen im Ukraine-Krieg und die Lage im Süden
Palina Milling, ARD Moskau, 7.7.2022 · 12:24 Uhr
Quelle: Tagesschau