Huawei ist einer der größten Gewinner der Sanktionen gegen Russland. Doch der chinesische Konzern könnte den endgültigen Bruch mit dem Westen riskieren.
Nach dem Angriff auf die Ukraine ächzt Russland unter den Folgen der Sanktionen. Ein Gewinner der Situation ist der selbst von US-Sanktionen gebeutelte Techgigant Huawei. Russland könnte für den chinesischen Konzern eine große Chance sein. Doch es drohen weitreichende Konsequenzen.
Zunächst war das Russland-Geschäft der letzten Wochen für Huawei, aber ein selten gewordenes Erfolgserlebnis. Weil Apple, Samsung und Co. sich aus dem Markt zurückgezogen haben, verzeichnete Huaweis Smartphone-Sparte einen gigantischen Erfolg. Um satte 300 Prozent stiegen die Verkäufe in Russland in den ersten Märzwochen an, lagen damit noch deutlich höher als die ebenfalls dreistelligen Wachstumsraten der chinesischen Konkurrenten wie Xiaomi oder Oppo.
Enge Partnerschaft
Eine noch größere Chance stellt aber das Geschäft dar, mit dem der Konzern einst groß wurde: der Aufbau von Mobilfunknetzen. Als Russland die Krim einnahm, ließ Präsident Wladimir Putin Berichte sämtlicher Netzwerk-Hardware europäischer Firmen wie Nokia und Ericsson entfernen und durch Huawei-Technologie ersetzen. Jetzt könnte das in noch größerem Ausmaß anstehen.
Mit Huawei und Russland haben sich zwei Partner gefunden, die sonst wenige Optionen haben. Seit Jahren wird der Westen immer skeptischer gegenüber dem Einsatz von Huawei-Technologie in Netzwerken. Im Dezember wurde erstmals der Grund eingeführt: Der chinesische Geheimdienst hatte in Australien LTE-Technik des Konzerns zur Spionage genutzt. Russland bleibt angesichts der Sanktionen ohnehin kaum eine Wahl, Nokia und Ericsson haben sich angesichts der Sanktionen aus dem Markt zurückgezogen. Für einen Netzausbau oder als Austauschgeräte bleiben eigentlich nur Huawei und das ebenfalls aus China stammende Unternehmen ZTE.
Das Verhältnis zueinander ist schon lange gut. Russland war der erste Markt, in den Huawei zur Jahrtausendwende aus der Heimat expandiert, ein großer Teil der nationalen Mobilfunknetze läuft längst auf Huawei-Technologie. Auch als Russland wollte ein digitales Bezahlsystem aufbauen, war der Konzern zur Stelle. Kein Wunder, dass Huawei längst viele Angestellte im Land hat, dort Forschungs- und Datenanalyse-Zentren betreibt. Selbst nach Kriegsbeginn hätte der Konzern in Russland weitere neue Stellengesuche veröffentlicht, berichtet die „Financial Times“.
Ungewisses Risiko
Doch das potenzielle Geschäft in Russland könnte Huaweis Graben zum Westen noch tiefer reißen. Denn ob der Handel durch die Sanktionen erlaubt ist, ist gar nicht klar. Weil viele der Geräte in irgendeiner Form US-Technologie enthalten, müssten die Konzerne eigentlich Genehmigungen aus Washington einholen, glauben Beobachter. „Ich halte es fast für unmöglich für sie, legal nach Russland zu exportieren“, erklärte der früher beim US-Handelsministerium angestellte Sanktionsexperte Kevin Wolf der „FT“.
Auch die bisherigen Einschränkungen könnten zu neuen Problemen führen. Seit Donald Trumps Regierung den Konzern mit Sanktionen belegte, ist der Einkauf von Bauteilen erheblich eingeschränkt. Schon seit mehr als eineinhalb Jahren muss Huawei von hastig aufgebauten Vorräten an Chips zehren und kann nur noch mit Sondergenehmigungen neue Hardware einkaufen, bei deren Entwicklung US-Technologien genutzt wurden. Sollte sich die Lage verschärfen, könnte sich das schnell ändern, macht Matthew Borman vom US-Handelsministerium letzte Woche bereits klar. Sollten sich die chinesischen Konzerne nicht an Sanktionen halten, werden man die Daumenschrauben noch weiter andrehen. „Wir können nicht nur den Handel verbieten. Sondern jede Transaktion.“
Quelle: Stern