Stand: 25.03.2022 14:09 Uhr
Im ukrainischen Mariupol könnten bei dem Angriff auf ein Theater vergangene Woche rund 300 Menschen getötet worden sein. Das geht laut Behörden aus Augenzeugenberichten hervor. Zudem habe Russland ein Parteibüro am Stadtrand eröffnet.
Bei dem Angriff russischer Truppen auf ein Theater in Mariupol im Südosten der Ukraine könnten etwa 300 Menschen getötet worden sein. Diese Vermutung äußerte die Stadtverwaltung von Mariupol und berief sich dabei auf Augenzeugenberichte.
Konkrete Angaben zur Zahl der Opfer bei dem Luftangriff auf das Theater am Mittwoch vergangener Woche hat es bisher nicht gegeben. In das Theater im Stadtzentrum hatten sich nach ukrainischen Angaben rund 1000 Menschen aus Angst vor russischen Luftangriffen geflüchtet. „Bis zuletzt will man glauben, dass alle in Sicherheit sind“, erklärte die Verwaltung von Mariupol im Online-Dienst Telegram. „Doch die Zeugenaussagen derjenigen, die sich zum Zeitpunkt dieses Terrorakts im Gebäude befanden, sagen das Gegenteil.“
Vor einer Woche hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass mehr als 130 Menschen aus dem zerstörten Theater gerettet worden seien, aber „Hunderte“ weiterhin unter Trümmern verschüttet seien. Nach übereinstimmenden Angaben auch von Hilfsorganisationen hatten Hunderte Menschen im Keller des Gebäudes Schutz gesucht. Der Angriff hatte international Empörung ausgelöst. Nach ukrainischen Angaben hatte Russland das Theater bombardiert, obwohl vor beiden Seiten des Gebäudes gut sichtbar das Wort „Kinder“ auf Russisch auf den Boden gemalt war. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Krieg gegen die Ukraine: Lage in Mariupol weiter dramatisch – Millionenstadt Charkiw erneut umkämpft
Sabine Krebs, WDR, tagesschau 17:00 Uhr, 25.3.2022
Russische Partei eröffnet Büro in Mariupol
Den Behörden von Mariupol zufolge hat die russische Regierungspartei Geeintes Russland im Außenbezirk der Stadt ein politisches Büro eröffnet. Es befinde sich in einem Einkaufszentrum, wo die Partei Werbung und Telefonkarten verteile. Die Karten gehörten zu einem Mobilfunkanbieter, der in den nahe gelegenen prorussischen Separatistenregionen in der Ostukraine nutzbar sei. Durch russische Luft- und Artillerieangriffe sind die Kommunikationsverbindungen in Mariupol so gut wie komplett gekappt.
Offenbar Angriff auf medizinisches Zentrum in Charkiw
In der Großstadt Charkiw in der Ostukraine meldete die Polizei einen Angriff der russischen Armee auf eine medizinische Einrichtung. Dort seien vier Menschen getötet worden. „Sieben Zivilisten wurden bei einem Bombardement mit Mehrfachraketenwerfern verletzt, vier davon starben an ihren Verletzungen“, erklärte die Polizei auf Telegram. Der Angriff am frühen Morgen habe „einem medizinischen Zentrum“ im Süden von Charkiw gegolten. Zudem sollen russische Truppen die Stadt Tschwernihiw im Norden des Landes einkesselt haben, teilte der zuständige Gouverneur mit. Die Stadt werde mit Artillerie und von Kampfflugzeugen beschossen. Schwere Explosionen habe es auch in der Region rund um Kiew gegeben.
Nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte sollen sich die russische Truppen nach hohen Verlusten im Nordosten des Landes teils zurückgezogen haben. Das teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Demnach sei der Rückzug bestimmter russischer Einheiten hinter die russische Grenze nach dem Verlust von mehr als der Hälfte des Personals beobachtet worden.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Bild: ISW/24.03.2022
Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Analyse bestätigt Zerstörung von russischem Schiff
Indes haben sich die Angaben der ukrainischen Armee über die Zerstörung eines russischen Schiffes einer Untersuchung der Nachrichtenagentur AP zufolge als richtig erwiesen. Dies habe eine Analyse von Satellitenfotos des US-Erdbeobachtungsunternehmens Planet Labs ergeben, die dichten schwarzen Rauch und ein brennendes großes Schiff im Hafen der Stadt Berdjansk zeigen. Die Bilder passen auch zu Online-Videos, die den Angriff im Hafen der vom russischen Militär gehaltenen Stadt am Asowschen Meer zeigen sollen.
Die ukrainische Marine hatte gestern verkündet, einen Angriff auf das russische Landungsschiff „Orsk“ verübt und das Schiff zum Sinken gebracht zu haben. Das Schiff habe Panzerfahrzeuge nach Berdjansk gebracht.
Dieses Satellitenfoto von Planet Labs soll den Rauch am Hafen von Berdjansk zeigen.
Bild: dpa
Angriff auf Treibstofflager
Auch die russische Armee reklamiert militärische Angriffe auf Infrastruktur für sich. Eigenen Angaben zufolge haben die Streitkräfte eines der größten ukrainischen Treibstofflager unweit von Kiew zerstört. Das Lager im Ort Kalyniwka sei am Donnerstagabend mit Marschflugkörpern beschossen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Von Kalyniwka aus seien die ukrainischen Streitkräfte in zentralen Landesteilen mit Treibstoff versorgt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.
Russische Flugzeuge und Hubschrauber hätten in der vergangenen Nacht außerdem 51 ukrainische Militärobjekte attackiert, hieß es aus Moskau. Russland betont immer wieder, im seit rund einen Monat andauernden Krieg im Nachbarland ausschließlich Einrichtungen von Militär und Geheimdienst anzugreifen. Die Ukraine beschuldigt die russischen Truppen hingegen täglich, gezielt auch auf Zivilisten zu schießen.
Russland: Haben Waffenkonventionen nicht verletzt
Den Vorwurf Kiews, durch den Einsatz von Phosphorbomben in der Ukraine internationale Waffenkonventionen verletzt zu haben, wies Moskau zurück. „Russland hat nie gegen internationale Konventionen verstoßen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Den USA warf er erneut vor, an der Entwicklung von biologischen und chemischen Waffen in der Ukraine und anderen Ländern zu arbeiten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Russland am Donnerstag vorgeworfen, Phosphorbomben „gegen friedliche Menschen“ eingesetzt zu haben.
Russland wirft der NATO unterdessen vor, den Konflikt anzuheizen, indem sie der Ukraine Waffen und militärische Ausrüstung liefere. „Die NATO-Mitgliedsstaaten pumpen die Ukraine weiterhin mit Waffen auf. Das führt nicht nur dazu, dass die Kämpfe in die Länge gezogen werden, es kann auch unvorhersehbare Folgen haben“, sagte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums.
Der ehemalige russische Präsident und Putin-Vertraute Dimitri Medwedew kritisierte die internationalen Sanktionen in einem Interview mit der Nachrichtenagentur RIA als wirkungslos. Es sei „töricht“ zu glauben, die Sanktionen könnten etwas bewirken. Sie würden die russische Gesellschaft nur festigen.
Luftangriffe, Rückzug und Forderungen nach neuen Sanktionen
Karin Bensch, WDR, 25.3.2022 · 13:15 Uhr
Quelle: Tagesschau