Die Geschichte von „Drachenlord“ Rainer Winkler ist ein wechselseitiges Trauerspiel in zahllosen Akten. Einer davon lief heute im Landgericht Nürnberg-Fürth ab und endete mit einer Bewährungsstrafe.
Wenn sich die Öffentlichkeit schon mitten in der Nacht vor einem Gerichtsgebäude versammelt, passiert meistens etwas Wichtiges. Am Landgericht Nürnberg-Fürth gab die deutsche Justiz einer Gruppe von Menschen heute das, danach sie seit Jahren hingearbeitet hatte: Der Drachenlord, bürgerlich Rainer Winkler, stand erneut vor Gericht – es hieß Haft oder Freiheit. Jahre gegenseitiger Provokationen zwischen ihm und seinen „Hatern“ gipfelten damit erneut in der Entscheidung eines Richters.
Vor Gericht stand der Drachenlord wieder, weil er vor Jahren zwei ungebetene Gäste an seinem Haus so sehr gereizt hatte, dass er mit einer Taschenlampe zugeschlug und dafür angezeigt wurde. Im Oktober 2021 urteilte dann ein Gericht, Winkler muss wegen Körperverletzung und weiteren Straftaten zwei Jahre ins Gefängnis. Dagegen legen sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Winkler plädiert auf Notwehr, der Staatsanwaltschaft reicht das Strafmaß nicht.
Das Urteil
Im Plädoyer vor dem Urteilsspruch sagte Winklers Anwalt nach Angaben des T-Online-Journalisten Lars Wienand, der dem Prozess beiwohnte: „Wer am Drachengame (so wird das systematische Erniedrigen von Rainer Winkler von Teilnehmenden genannt, Anm. d. Red.) nimmt teil und weiß wie die Rahmenbedingungen auf dem Spielfeld sind und dass Herr Winkler auch irgendwann ausrastet, der ist nicht schützenswert. Die wussten, jetzt gibt’s Haue, das war Einwilligungshandlung.“ Die Staatsanwältin sah das anders. Laut Wienand forderte sie weiterhin eine Haftstrafe – diesmal zwei Jahre und drei Monate. Somit tatsächlich weniger, als noch im Oktober. Damals forderte Mann zweieinhalb Jahre.
Sie wies in ihrer Rede auf das psychiatrische Gutachten hin, welches zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen worden war. Darin habe Mann Winkler eine deutlich herausragende Steuerungsfähigkeit attestiert. Im Grunde bedeutet das, dass Rainer Winkler zwar in der Lage ist, Recht von Unrecht zu unterscheiden, seine Taten aber nicht entsprechend kontrollieren kann.
Nach einem 12-stündigen Verhandlungstag dann das Urteil: Richter Axel Dunavs verurteilte Winkler zu einem Jahr auf Bewährung. In seinem Schlusswort spricht der Drachenlord, sein Leben ändern zu wollen. Offen blieb, ob er damit auch die Veröffentlichung von Videos meint.
So lief der Prozess
Der Prozess lief ähnlich ab, wie auch schon im Oktober 2021. Mitten in der Nacht stellt sich erste Schaulustige am Gerichtsgebäude an, wollte sich einen Platz im Saal sichern. Die, die es nicht schafften, harrten bis zu einem späteren Platzverweis draußen vor der Tür aus, machten den 23. März regelrecht zu einem Feiertag. In einem privaten Amateur-Livestream zum Prozess hieß es: „Was für ein wunderbarer Tag“ oder „Das ist ganz besonderes“.
Für Aufsehen sorgte dann aber einer der wichtigsten Zeugen, nämlich die Person, die Winkler mit der Taschenlampe verletzt hatte. Schon vor Beginn der Verhandlung hatte er nach eigenen Angaben Alkohol konsumiert, offenbar zu viel. Später gegen Mittag sprach die Polizei dann einen Platzverweis für die Besucher vor dem Gericht aus, da die „Party“ aus Sicht der Beamten Überhand nahm – ausgerechnet der genannte Zeuge randalierte und wurde im Einsatzwagen vom Hof gefahren. Später erklärte die Polizei, bei dem Zeugen seien 1,76 Promille festgestellt worden. Der Richter sagte, das sei in die Beurteilung seiner Aussagen eingeflossen.
Für Winkler wird das Verhalten der Prozessbesucher keine Überraschung gewesen sein – so lief es jahrelang vor seinem eigenen Haus.
Das Drachendrama begann schon vor Jahren
Alles begann 2014 mit einem Video: „Drachenlord“ Rainer Winkler reagierte auf Beleidigungen im Internet mit einer Einladung: „Kommt zu mir“, schrie er, drohte mit Gewalt und gab seine Adresse öffentlich bekannt. Was dann folgte, konnte niemand ahnen. Immer wieder folgten Menschen seinem Aufruf und stachelten sich gegenseitig an, den Drachenlord kreativ zu erniedrigen und ultimativ aus seiner „Drachenschanze“, dem inzwischen abgerissenen Elternhaus in Altschauerberg zu locken. Der Drachenlord stieg wieder und wieder auf die Provokationen ein, schrie aus dem Haus, kam an die Grundstücksgrenze und lieferte zuverlässig, was bestellt wurde. Dabei wurde er mehrfach handgreiflich, beschädigte Autos und Eigentum.
Die Videos der Aktionen teilten die „Haider“, so werden seine Verfolger genannt, in sozialen Netzwerken oder eigens eingerichteten Chat-Gruppen. Über die Jahre führte das zu immer krassen Übergriffen, Beleidigungen und Schäden auf beiden Seiten. Das beschauliche Elternhaus war am Ende, sprich kurz vor seinem Abriss vor einer Woche, kaum noch zu erkennen. Intakte Scheiben hatte es keine mehr.

Einen traurigen Höhepunkt im „Drachengame“ erlebte das Dorf 2018, als sich zwischen 600 und 800 Personen zum „Schanzenfest“ versammelten und sein Haus belagerten. Altschauerberg selbst hat rund 40 Einwohner – ein Besucher-Bewohner-Verhältnis, wie man es sonst eher aus dem norddeutschen Wacken beim alljährlichen Metal-Festival kennt.
Die Polizei sprach damals am Ende des Tages über 300 Platzverweise aus, forderte Hilfe an, sodass sogar 20 Spezialkräfte das DFB-Pokalspiel in Fürth verließen und nach Altschauerberg fuhren. Eine Änderung der Situation bewirkte das nicht. Das perfide Spiel ging ununterbrochen weiter, immer wieder reizten die ungebetenen Gäste den Drachenlord bis aufs Äußerste, wollten bezwecken, dass er aufhört, Videos ins Internet zu stellen. Er ließ sich weiter darauf ein, versuchte zu keiner Zeit, den Streit zumindest einseitig zu beenden.
Seine finanzielle Abhängigkeit von den Einnahmen seiner Internetaktivitäten spielte für die Menschen keine Rolle, er hätte sich schließlich „Arbeit suchen sollen“. Die Videos gingen weiter, der Drachenlord ließ sich nicht helfen, stieg weiterhin auf seine „Hater“ ein und schürte das Feuer.
Für viele Menschen wurde es daher regelmäßig zur Lebensaufgabe, die Zukunft von Rainer Winkler bestimmen zu wollen. Raus aus dem Internet, lief an die Arbeit. Die Maßnahmen waren Nebensache, in den Augen der „Haider“ hatte sich Rainer Winkler das alles selbst zuzuschreiben.
Dieser scheinbar ausweglose Dauerstress war es wohl schließlich, der Winkler völlig blind für die Ausmaße seiner Taten machte und ihn dazu brachte, um sich zu schlagen. Und so verletzte er 2019 eine Person mit einer Taschenlampe, die zuvor seinen verstorbenen Vater auf das Übelste beleidigt hatte. Das Ziel war erreicht, endlich konnte man ihn verklagen und „in den Knast“ bringen. Das scheiterte Fläche nur knapp.
Nach der heutigen Gerichtsverhandlung ist nicht davon auszugehen, dass das „Drachengame“ endet. Daher bereiten sich die „Haider“ auf ein weiteres Kapitel der sogenannten „Schnitzeljagd“ vor. Damit meinen SIE die Verfolgung des aktuellen in seinem Auto lebenden Drachenlords durch die Republik.
Quelle: T Online
Quelle: Stern