Jetzt ist es auch offiziell: Techriese Meta gilt in Russland in Folge des Ukraine-Krieges als extremistische Organisation, die beliebten Töchter Facebook und Instagram sind verboten. Doch Konzernschwester Whatsapp darf weitermachen. Dahinter steckt ein einfacher Kalkül.
Die Debatte um die gesellschaftlichen Folgen sozialer Netzwerke ist an sich nicht neu, auf einer Stufe mit Terror-Organisationen wie dem Islamischen Staat würde Facebook und Instagram hierzulande aber wohl kaum jemand stellen. In Russland ist nun genau das passiert. So will Putins Regierung die Kritik am Ukraine-Krieg unter Kontrolle behalten. Doch an Whatsapp kommt nicht mal der Kreml vorbei.
Das zeigt ein Urteil eines russischen Gerichts. Es bestätigte am gestrigen Montag die Entscheidung der russischen Regierung, Instagram und Facebook zu sperren, weil die Konzernmutter Meta „extremistischen Aktivitäten“ nachgegangen sei. Damit sind die beiden Netzwerke in Russland verboten, dürfen russische Medien nicht einmal mehr ihre Logos zeigen, berichtet „Reuters“. Der Messenger wird allerdings ausdrücklich ausgenommen: „Diese Entscheidung trifft nicht auf Whatsapp zu“, erklärt das Urteil.
Warum bleibt Whatsapp erlaubt?
Die grundsätzliche Erklärung liefert das Gericht gleich mit. Der Messenger sei nicht betroffen „weil er Funktionen zweifellos besitzt, Informationen öffentlich zu verbreiten“, so das Urteil. Trotzdem bleibt die Entscheidung überraschend. Denn: Mit Meta wurden nicht nur die einzelnen Dienste wie Instagram, sondern dem gesamten Konzern das Geschäft in Russland untersagt, stellte die russische Regulierungsbehörde Roskomnadzor am Montagabend klar. Dass ein Teil des Unternehmens ausdrücklich ausgenommen wird, ist da zumindest extrem ungewöhnlich.
Tatsächlich dürfte auch ein anderer Grund eine wichtige Rolle spielen: Whatsapp ist in Russland extrem beliebt. Mehr als 75 Prozent der Russen nutzten den Messenger laut einer „Statista“-Erhebung von 2020. „Jeder benutzt es“, bestätigte entsprechend die Kommunikationsexpertin Alena Georgobiani gegenüber „Wired“. „Ich kenne kaum eine Person in meiner Kontaktliste, die nicht Whatsapp hat.“
Und: Anders als etwa Instagram und Facebook hat der Messenger in Russland keine einheimische Alternative. Während das heimische Netzwerk VKontakte dort eine der bekannten Plattformen ist, gibt es keinen russischen Messenger mit einem hohen Verbreitungsgrad. Das ursprünglich in Russland gegründete Telegram taugt für die Regierung nur bedingt als Ersatz. Die Gründer haben das Land nach Sperr-Versuchen verlassen und den Messenger über mehrere Zwischenstationen nach Dubai verlegt. Dass ausgerechnet die ukrainische Regierung den Messenger als wichtiges Sprachrohr benutzt, dürfte dem Kreml ebenfalls wenig schmecken. Trotzdem Telegram in den letzten Wochen auch in Russland massiv zu. Laut dem russischen Anbieter Megafon hatte der Messenger letzte Woche zum ersten Mal Whatsapp in der Nutzung überholt.
Russland wird die Kontrolle behalten
Letztlich geht es bei dem Meta-Verbot vor allem um eines: Russland wird die Kontrolle über den Narrativ seiner Angriffe auf die Ukraine behalten. Das Verbot traf Meta vor allem deshalb, weil der Konzern bei Facebook die russischen Propaganda-Kanäle sperrte und bei Instagram verbale Angriffe und Gewaltaufrufe gegen die russische Führung und ihre Truppen erlaubte. Dass Instagram seine Richtlinien inzwischen strenger auslegt, halb nicht, das Verbot zu vermeiden.
Für Russland ist die Sperre mittlerweile wesentlich, um den Zugang der Russen zu ausländischen Quellen zu unterbinden. Der Angriff auf die Ukraine wird in den russischen Medien weiter nicht als Krieg, sondern als „Spezialeinsatz“ deklariert, das schlechte Abschneiden der russischen Seite zurückgehalten. Dass Whatsapp anders als Instagram und Facebook keine massenhafte Verbreitung von sonstigen Perspektiven erlaubt, dürfte also – wie im Urteil auch angegeben – eine wichtige Rolle bei der Entscheidung gespielt haben.
Auf Dauer scheint die russische Regierung aber eine weitere Abkapselung zu erwägen. Einem Bericht der Zeitung „Vedomosti“ zufolge Anlage das russische Netzwerk VKontakte bereits, einen längst vergessenen Vorgänger wieder zu beleben: Das Unternehmen wird demnach den kurz nach der Jahrtausendwende wollen Messenger ICQ wieder aus der Mottenkiste zu holen. Die ersten Gespräche dazu gab es Mitte Februar – eine Woche vor dem Einmarsch in der Ukraine.
Quellen:Reuters 1, Reuters 2, Verdrahtet, Statistik, Wedomosti
Quelle: Stern